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Schloss Sigmundskron - Ein Symbol des langen Strebens nach Selbstbestimmtheit.

Südtirols langer Weg: Von St. Germain zum Konvent

Die Südtiroler Autonomie ist das Ergebnis zäher Verhandlungen und Jahre harten Ringens um mehr Selbstbestimmheit und Unabhängigkeit. Mit dem Autonomiekonvent wird der Südtiroler Zeitgeschichte ein weiteres Kapitel hinzugefügt. Ein Überblick.

1918 endet der Erste Weltkrieg. Mit dem Friedensvertrag von St. Germain 1919 wird der südliche Teil des Kronlandes Tirol, das heutige Südtirol, Italien angegliedert. Der Brenner wird zur neuen Grenze.

1922 übernehmen die Faschisten in Italien die Macht. Sie beginnen mit der Zwangsitalianisierung der Südtiroler. In der Folge fördert Mussolinis Regime die Einwanderung zehntausender Italiener ins Land. Der Gebrauch der deutschen Sprache wird in Südtirol verboten, deutsche Schulen werden geschlossen, deutschsprachige Lehrer und Beamte entlassen oder zwangsversetzt.

1939 schmieden Hitler und Mussolini einen gemeinsamen Plan für die „Lösung“ des Südtirol-Problems: die Option. Die deutsche und ladinische Bevölkerung wird vor die Wahl gestellt: Entweder sie entscheiden sich für die deutsche Staatsbürgerschaft mit der Verpflichtung zur Abwanderung ins Reich oder für den Verbleib in der Heimat ohne jegliche Unterstützung für den Erhalt der eigenen Sprache und Kultur; eine Wahl zwischen Volkstum und Heimat. Die meisten Südtiroler folgen der faschistischen und nationalsozialistischen Propaganda und optieren für die Auswanderung. Der Kriegsbeginn stoppt das Unterfangen. Nur einige Zehntausend Südtiroler verlassen tatsächlich ihre Heimat.

1946 verweigern die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges Südtirol sein Selbstbestimmungsrecht. Italien und Österreich werden allerdings zu Verhandlungen verpflichtet, die den Schutz der österreichischen Minderheit in Italien, der Südtiroler, zum Ziel haben. Im Pariser Vertrag werden in der Folge die Grundzüge der Autonomie definiert: Als so genanntes Gruber-Degasperi-Abkommen bilden sie den Grundstein für die internationale Verankerung der Südtiroler Autonomie.

1948 tritt das Erste Autonomiestatut in Kraft. Die Mehrheit der darin festgehaltenen Befugnisse liegt bei der Region „Trentino-Südtirol“, damit sind die deutsch- und ladinischsprachigen Südtiroler bei wichtigen Entscheidungen in der Minderheit, in der Region stellen sie nämlich nur knapp 30 Prozent der Bevölkerung. Der Unmut darüber ist in Südtirol groß.

15 Jahre später, 1960, ist von den im Vertrag festgehaltenen Schutzmaßnahmen für Südtiroler im Land selbst noch nichts zu spüren. Österreich wendet sich deshalb an die UNO. Gleichzeitig entlädt sich der Frust der Bevölkerung in Südtirol gewaltsam: In der „Feuernacht“ am 11. Juni werden mehrere Hochspannungsmasten gesprengt. Mit einem Schlag ist die Lage der Südtiroler für weite Teile der Öffentlichkeit in Italien und Europa wieder Thema.

Mehr als zehn Jahre lang wird zäh verhandelt: 1972 einigen sich Rom, Bozen und Wien auf das „Paket“, ein Bündel von Maßnahmen, die in das Zweite Autonomiestatut eingehen. Die neue Südtiroler Autonomie tritt am 20. Jänner 1972 in Kraft. Die nächsten Jahre und Jahrzehnte der Südtiroler Politik sind geprägt von Verhandlungen zwischen Bozen und Rom um die Durchführungsbestimmungen zu den einzelnen Bestimmungen des Statuts.

1992 beschließen Italien und Österreich ihren Streit um Südtirol vor der UNO offiziell beizulegen, da die Maßnahmen des Pakets umgesetzt sind und das darin enthaltene Ziel des effizienten Minderheitenschutzes als erreicht gilt. Die internationale Verankerung der Südtiroler Autonomie bleibt bestehen.

2001 wird die Italienische Verfassung abgeändert und ergänzt.Das Verfassungsgesetz von 2001 sollte nur insoweit auf Südtirol anwendbar sein, als es dessen Autonomie erweitert („Meistbegünstigungsklausel“). Die gesamtstaatliche Föderalisierung Italiens sollte mit der Verfassungsreform von 2001 einen Schritt nach vorne machen, geht jedoch mit dem im Frühjahr 2014 vorgelegten Gesetzesentwurf zur Änderung der italienischen Verfassung jenen wieder zurück.

Nun gilt es rechtzeitig aktiv zu werden und selbst die Weichen für die Zukunft zu stellen, auch unter Einbindung der Bevölkerung. Nachdem im Vorfeld ein entsprechender Vorschlag der Grünen abgelehnt worden ist, beschließt der Südtiroler Landtag im April 2015 auf Vorschlag der SVP die Einsetzung des so genannten „Südtirol-“ oder „Landeskonvents“.

Im Rahmen eines partizipativen Prozesses von der Dauer eines Jahres soll dabei die Südtiroler Bevölkerung aktiv in die Überarbeitung des bestehenden Statuts einbezogen werden. Der vom Konvent ausgearbeitete Vorschlag ist rechtlich nicht bindend. Er ist jedoch von großer Bedeutung für die Zukunft von Südtirol, da er aufzeigen wird, wie die Südtiroler ihr Land gestalten möchten.